​02.08.2021

Von der Satellitenschüssel zum bunten Ball – Die SAT.1-Markenentwicklung von 1984 bis heute

von Alexandra Runden, Eyes & Ears of Europe

Wann wurde aus der "Programmgesellschaft für Kabel und Satellitenrundfunk" SAT.1? Welche Veränderungen führten schließlich zum bunten Ball? Und wie wurden Claims und Audiokennungen in dieser Zeit verändert? Diese und viele weitere Fragen haben uns André Otto, Creative Director Design und hauptverantwortlicher Designer der Marke SAT.1, Michael Sundermann, Head of Art und Design ProSiebenSAT.1, und Paul Taylor, Head of Audio und Creative Director ProSiebenSAT.1, im Gespräch beantwortet. Als ehemalige Creative Director kommt außerdem Ulla Gessner zu Wort. Hier ist Teil 1 der Reihe "Die Markenentwicklung im Laufe der Zeit" zum 25. Geburtstag von Eyes & Ears of Europe.


Fast 40 Jahre ist es her, dass die Geschichte von SAT.1 begann. 1984 erblickte der Sender unter dem Namen "Programmgesellschaft für Kabel und Satellitenrundfunk" das Licht der Welt – nur um ein Jahr später sofort wieder umbenannt zu werden. "Die Bezeichnung für den Fernsehsender war zum einen sehr sperrig und dazu nicht sehr entertaining", sagt André Otto, Markenverantwortlicher SAT.1. "Deswegen lag es wahrscheinlich auch nahe, 1985 gleich den ersten Relaunch zu vollziehen." Ein Wettstreit zwischen RTL und SAT.1 um die Ehre, der erste private Satellitensender zu sein, soll diese Entwicklung außerdem beflügelt haben: "Daher vermutlich auch die 1 im Namen, denn SAT.1 hat gewonnen und war 1985 tatsächlich der erste private Satellitensender."

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SAT.1 Logo 1985


Mit dem ersten Relaunch verschwand durch die Umbenennung nicht nur die Abkürzung PKS aus dem Logo, auch wurde die zunächst eher aus Pragmatismus gewählte Satellitenschüssel weiterentwickelt. Der bunte Ball, den wir heute kennen, war hier zwar noch eher ein Kreis und ähnelte so noch immer der abstrahierten Satellitenschüssel, doch das würde sich bereits ein weiteres Jahr später ändern. "Damals, im Jahr 1986, sollen sich zwei Leute in den Leo Kirch Studios in Unterföhring getroffen haben, um an einer neuen Senderkennung zu arbeiten", erzählt Otto weiter. "In den Studios hatte man damals ein wahnsinnig teures neues Effektgerät. Das hieß ,Mirage‘ und konnte dreidimensionale Bildeffekte produzieren, was zu der Zeit ganz toll und neu war. Weil aber kein richtiges Bildmaterial vorlag, haben sie einfach die Testbild-Farbbalken genommen – und wenn man auf diese Farbbalken nun einen 3D-Effekt legt, ist man dem SAT.1-Ball schon sehr nah. Das ist die Geburtsgeschichte vom SAT.1-Ball, wie sie uns übertragen wurde."

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SAT.1 Logo 1986


Ob einfarbig, bunt, glossy oder flat – der Ball bleibt

Seit 1986 sind der Ball und der Name SAT.1 eine Einheit, wobei es den Ball bereits in neun verschiedenen Farben und Ausführungen gab. "Wir haben, glaube ich, so viele Logo Redesigns hinter uns wie kaum ein anderer", vermutet Otto. Wieso es dazu kam, ist im Nachhinein nicht ganz nachvollziehbar, denn zur Sendergruppe ProSiebenSAT.1 kam der Sender erst im Jahr 2009. Vermutlich werden die Änderungen zum Teil auf Führungswechsel zurückzuführen sein, so der Markenverantwortliche weiter: "Bei SAT.1 war im Hintergrund auch immer sehr viel los. So gingen die Geschäftsführerwechsel beispielsweise auch fast immer mit einem Redesign einher." Natürlich wurden zusätzlich auch oft globale Design Trends aufgegriffen, genauso wie der jeweilige Zeitgeist, der sowohl programmlich als auch inhaltlich eingebunden werden sollte. 

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"Diese Trends, wie etwa der Skeuomorphismus oder das Flat Design, haben sich im Markendesign überall durchgezogen. Dementsprechend musste da wohl auch eine Marke, die so tief in der Gesellschaft verankert ist wie SAT.1, irgendwie mitgehen", spekuliert Michael Sundermann, Head of Art and Design. "Zumindest konnte sie sich nicht dagegen wehren. Wobei es ja auch nur natürlich ist, dass man sich der Umgebung ein Stück weit anpasst und immer mit der Zeit geht." Eine wirklich große Revolution, in der das Logo gar nicht mehr zu erkennen war, gab es dabei jedoch nie, denn der Sender ist seinem Ball seit 1986 treu geblieben.

"Dennoch war es Anfang der 2000er zwingend notwendig eine Designsprache zu entwickeln, die die Marke SAT.1 in allen Medien der Zukunft präsentiert", ergänzt Ulla Gessner, ehemalige Creative Directorin SAT.1. "Und das, obwohl das erste Smartphone noch nicht erfunden war. Als Konkurrent von RTL musste SAT.1 klar kommunizieren, dass der Sender mehr zu bieten hat als nur der ,Kuschelsender‘ zu sein." Deshalb entwickelte das SAT.1 Marketing Team von Jobst Eversmann gemeinsam mit Springer & Jacoby eine neue Markenkommunikation und entwarf außerdem ein neues Design in Zusammenarbeit mit Velvet. "Der SAT.1 Ball als unverwechselbares Symbol des Senders wurde hierbei komplett modernisiert und mit einer innovativen Anwendung zu neuem vielschichtigen Leben mit Ecken und Kanten erweckt."

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SAT.1 Logo 2001


Vom Glücksrad über "Nur die Liebe zählt" zum SAT.1 Film Film – der Ball wird zur Marke

Während der Ball mal einige seiner Lamellen verlor, dann weitere dazubekam oder die Farbe mal mehr, mal weniger wurde, veränderte sich auch der Auftritt des Senders SAT.1 – er wurde zur Marke. Auch hierbei war das Logo richtungsweisend: "Ich glaube, mit der Erfindung oder Entdeckung des SAT.1 Balls 1986 wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, tatsächlich eine Marke zu etablieren", erklärt André Otto. "Denn der Ball ist ja bis heute eine Bildmarke mit einer wahnsinnig hohen Wiedererkennbarkeit und einer Bekanntheit von über 90% im Markt! Darum sind wir heute auch soweit, dass wir gar keine Wortmarke mehr dazu kombinieren müssen. Denn unser Ball ist auch alleine stark genug, sodass die Zuschauer:innen SAT.1 auch nur durch ihn erkennen. Man kann also sagen, dass der Ball als markantes Symbol für den Sender die Grundlage für die Marke SAT.1 bildete."

Wirklich möglich war dies aber erst nach dem Wechsel des Senders von Berlin nach München. Denn die ehemaligen Hauptstadt-Kolleg:innen sollen sich am "Bällchen" gründlich abgesehen haben: "SAT.1 wurde ja auch oft als Bällchensender beschrieben. Die Kolleg:innen in Berlin haben das aber selbst überhaupt nicht gemocht, sie wollten sich eher davon distanzieren", berichtet André Otto. "Darum hatten wir im Redesign auch den Auftrag, nicht zu viel mit den Bällchen zu spielen, weil das zu lieblich, zu kindlich und so ein bisschen abwertend rüberkommen würde."

Einen anderen Blick dazu nimmt Michael Sundermann ein und ergänzt: "Das Bunte vom Ball hat durch das ,kindliche‘ automatisch auch einen freundlichen Charakter. Es geht direkt in eine familiäre Richtung und wirkt als ein buntes, sympathisches Logo natürlich viel emotionaler als so ein krasses Duplex Logo oder gar ein einfarbiges. Es ist, glaube ich, normal, dass Menschen, wenn sie zu lange mit etwas arbeiten, irgendwann sagen, wir müssen uns davon emanzipieren. Aber eigentlich ist es genau richtig dran zu bleiben, denn gerade für die Zuschauenden ist das das Markante und die stören sich natürlich nicht daran. Und deswegen ist es auch gut, dass der Ball geblieben ist."

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SAT.1 Logo 2008


Dass die Kolleg:innen in Berlin vom "kindlichen" bunten Ball wegkommen wollten, merkt man in der Logo-Entwicklung vor 2009: Denn tatsächlich wurde der Ball ab 2004 einfarbig. Rot und weiß blieben als einzige Farben bestehen. Erst mit dem Wechsel nach München in 2009, kam unter dem Claim "Colour your Life" wieder mehr Farbe ins Spiel. "Wenn man in die Grafik schaut und nur den einen weißen Ball mit pinken Kern sieht, denkt man sich vermutlich: Das passt nicht so gut zu ,Colour your life‘", scherzt André Otto. "Aber du musst wissen, dass es diesen Ball in 8 oder 10 Farben gab. Den gab es nicht nur mit Magenta gefüllt, sondern auch mit Türkis, Grün, Gelb und so weiter. ,Colour Your Life‘ hat man gespürt." Dass die Zwischenräume der Lamellen farbig wurden, war also der erste Schritt zurück zum freundlichen bunten Ball. Das finale Bekenntnis zum bunten Farbkreis folgte 2017: Die Farben kehrten wieder nach außen auf die Lamellen des Balls und wirken seitdem mit aufliegenden Glanz entertainig und hochwertig. 

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SAT.1 Logo 2009


Erkennbarkeit nicht nur visuell, sondern auch auditiv

Abgesehen vom Ball gab es für SAT.1 natürlich auch noch weitere Wege, den Wiedererkennungswert zu steigern. Neben den markanten, sympathischen Claims wie "Ich drück' dich", "Die beste Zeit des Tages" oder "Freut euch drauf", schleicht sich SAT.1 auch durch das Audiologo in die Köpfe der Zuschauer:innen. "Das gab es aber nicht von Anfang an, denn von 1984 bis etwa 1995 hatte SAT.1 noch gar kein Audiologo", erklärt Paul Taylor, Head of Audio. "Erst 1996 kam das erste Audiologo zu SAT.1. Das war von dem amerikanischen Komponisten Dane Blair entworfen. Es war nur ein oder zwei Jahre on air, weil es recht sperrig war und man nur sehr schlecht damit arbeiten konnte. Seit 1997 gibt es das Audiologo, so wie wir es kennen."

Seit 24 Jahren gibt es das aktuelle Audiologo, was jedoch nicht heißt, dass es keine Versuche gab, es komplett zu verändern. "Alleine ich habe seit meinen Anfängen im Sender bestimmt 28 oder mehr SAT.1 Audiologos kreiert, die eventuell besser waren, vielleicht auch nicht. Am Ende wurde aber immer wieder – auch von mir selbst – entschieden: Nein, wir bleiben uns treu und bei dieser bekannten 4-Ton-Folge", bekennt der Head of Audio. Knapp ein Vierteljahrhundert ist SAT.1 also bei seinem Audiologo geblieben und hat es nur immer wieder im Klang verändert und angepasst. "Aber auch da sind wir manchmal 5 Jahre später wieder zum Ursprungsklang zurückgegangen. Es gab dabei zwei Phasen, in denen es nur ein reines Klavier war und zwischendrin hat man immer versucht, mit irgendwelchen Synthesizern und sowas modern zu sein", rekapituliert Taylor. "Mittlerweile ist das Logo so bekannt, dass wir recht spielerisch damit umgehen können und es je nach Stimmung, Musik oder Thema jedes Mal mit unterschiedlicher Instrumentierung neu einspielen. "Diese Treue zum Audiologo ist dabei ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal der Marke, denn andere haben ihre auditiven Logos in dieser Zeit schon etliche Male gewechselt, betont der Head of Audio im Gespräch.

"SAT.1 ist Deutschland"

Seit SAT.1 als erster privater Satellitensender on air ging hat sich viel getan: Der Sender zog von Berlin nach München, verlor zwischendurch seine Farbigkeit, jedoch nie seinen Ball und wurde schließlich (nicht nur) dadurch zur Marke. Wie sehr SAT.1 tatsächlich auch mit der deutschen Fernsehlandschaft verwoben ist, merkt man an den persönlichen ersten Erinnerungen der Kollegen an den Sender. Für Michael Sundermann beginnen diese etwa Mitte der 90er Jahre: "Ich kann mich auf jeden Fall noch an das Logo erinnern, an dieses Markante mit der Futura, also die Typo mit den spitzen Buchstaben. Dazu kam dann der runde Kreis oder der runde Ball und ganz wichtig der ,Film Film‘. Das habe ich tatsächlich immer noch im Ohr. Für mich war SAT.1 am Anfang einer der großen ,coolen Sender‘, weil da die großen Filmspektakel liefen, die bei den öffentlich rechtlichen eben nicht zu finden waren. Deswegen war SAT.1 für mich einer von den 3 bis 4 coolen Sendern, die es zu der Zeit gab und darum auch fest abgespeichert." 

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SAT.1 Logo 1996


André Ottos erster Kontakt war sogar noch etwas früher: "Als SAT.1 bzw. PKS on air gegangen ist 1984 war ich 10 Jahre alt und ich konnte den Sender noch gar nicht schauen, weil ich in Ostdeutschland aufgewachsen bin. Meinen ersten Kontakt hatte ich mit dem Sender also erst kurz nach der Wende, als mit den Satellitenschüsseln auch der Zugang zum Westfernsehen kam. Weil ich schon wusste, dass mein Studium, das auch in der Zeit anfangen sollte, in Richtung Fernseh- oder Motion Design gehen wird, habe ich auch in diese Richtung recherchiert und dabei ist mir das SAT.1 Erscheinungsbild mit dieser Pille, also die pillenförmige Rahmung der Wortmarke, im Kopf geblieben. Das war auch die Zeit von Harald Schmidt, was man natürlich geguckt hat. Ich glaube, der Claim war damals ,Ich drück dich‘, was irgendwie sehr markant war. Das wurde zwar oft belächelt, hat aber trotzdem irgendwas extrem sympathisches in sich, finde ich. Das kannte damals auch jeder." 

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SAT.1 Logo 2000


Retroperspektiv hat sich seitdem vieles geändert, der Sender ist sich jedoch auch treu geblieben. "SAT.1 hat einen guten Mix aus Kontinuität und Veränderung. Man muss sich nur mal überlegen, dass es Sendungen gibt wie das Frühstücksfernsehen. Das gibt es fast seit Anfang an und ist auch heute immer noch wahnsinnig erfolgreich", resümiert der Creative Director Design André Otto und verweist auf das 33-jährige Jubiläum der Sendung. "Trotzdem sieht man auch anhand der Logo-Geschichte, wie viele Veränderungen der Sender schon durchgemacht hat. Also wie gesagt, große Kontinuität, trotz wahnsinnig vieler Veränderungen. Das macht für mich den Sender aus." Und diese Kontinuität ist etwas Besonderes, wie sein SAT.1 Kollege Michael Sundermann abschließend sagt: "SAT.1 ist Deutschland, deutsches Fernsehen, deutsche Kultur. Für mich ist SAT.1 Deutschland."

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SAT.1 Logo 2016